Rom Gaastra: in campo aperto

13.11.2005 – 25.02.2006


Rom Gaastra
Ein König von Samarkand
Tausendundeins Märchen
Tausendundeine Nacht
so oder so ähnlich erinnere ich mich
hier in der zweiten Etage
der Stiftung für konkrete Kunst
an das Werk von Rom Gaastra
im Dachgeschoss desselben Hauses
Auf dem Etikett nahe der Arbeit steht
neunhundertundvierzig Werke
Das sind zwar keine tausendundeins Nächte
aber doch eine große Anzahl von Werken
die Rom Gaastra alle vereinigt
in einem Raum
von dem ein Freund von ihm geschrieben hat
das ist die Sixtinische Kapelle
das muß ich sehen
so oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen
Dabei fällt mir van Gogh ein
der ins Feld gehen mußte
um Blumen zu malen
Mondrian ein
der die Natur zeichnen mußte
um sie vergessen zu können
Monet ein
der mit Punkten und Flecken
die Farben der Natur in Erinnerung bringt
fällt mir Rom Gaastra ein
der obwohl es
die Lehre von Goethe
die Lehre von Osswald
die Lehre von Albers gibt
an seiner eigenen Formulierung des Farbensehens
seit über fünfzehn Jahren arbeitet
Farbe über Farbe malt
der keine Ruhe gibt
die Wirksamkeit des Farbraumes zu untersuchen
und selbst den Schatten
der vor und hinter den Bildflächen sichtbar wird
mit auf seiner Palette hat
fast wie der Flügelschlag eines erstarrten Engels
so oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen
Die farbige Welt der Griechen
die trotz großer mächtiger
und bis heute wirksamer
Architektur des Raumes
verloren ging
Nach 2000 Jahren haben wir uns
an den weißen Marmor gewöhnt
In 2000 Jahren haben wir uns
an das Weiß des Klassizismus
das Weiß des Bauhauses
das Weiß der Zero-Gruppe gewöhnt
Doch Sie alle wissen
dass das Weiß nie alleine existiert
dass es auch kein Hell und kein Dunkel gibt
sondern immer etwas dazwischen
Und so wie Rom Gaastra in seinem Werk
die Farben leuchten läßt
versteckt er sie gleichzeitig
im Zwischenraum zwischen Bild und Wand
Dabei hilft ihm die Sonne
besser gesagt das Licht das sich ändert
Und wenn Sie gesehen hätten
wie Rom Gaastra gearbeitet hat
von morgens bis abends
in natürlichem Licht
wüßten Sie mit welcher Partitur von Raum
das Werk geschaffen ist
so oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen



Die Blätter sind noch nicht ganz
von den Bäumen gefallen
Aber Sie alle wissen
dass die meisten Blätter zu dieser Jahreszeit
die Bäume verlassen
Aber was man auch weiß
und viel zu wenig beachtet
ist der Moment
besser gesagt der Zeitpunkt
wann das Blatt fällt
Dieser ist für das menschliche Auge zwar sichtbar
aber selten voraussehbar
Es ist gleichsam ein Moment
der in der fernöstlichen Tradition
sicher das Wesentliche beschreibt
und ein Hinweis auf das Denken und Handeln von Rom Gaastra
So oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen
In Erinnerung rufen möchte ich
die Blätter von Sibylle Merian
die sie vor Ort nach der Natur
mit großem Wissen und Können
mit Linien Farben und Flächen festgehalten hat
Die Linien Farben und Flächen von Rom Gaastra
sind eigentlich ganz einfach
so ähnlich einfach wie die von Merian
Und trotzdem ist die Vielfalt der Buntheit
die Lebendigkeit des Objekts
die Konstruktion des Gegenstandes
eine ganz reale nämlich konkrete
Das große Wissen der Zeichnung
überträgt Gaastra in den Raum
Und durch das Kippen der Fläche
ähnlich wie bei einem Blatt Papier das umgeblättert wird
verstärkt sich die Glaubwürdigkeit des Gesehenen
Gleichsam wie ein Bilderbuch für Kinder
aber auch für Erwachsene
hilft er uns unsere Wahrnehmung zu trainieren
So oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen
Die Maßnahmen bei der Frauenkirche in Dresden
konnten Sie glaube ich alle ganz gut verfolgen
Bis hin zu den Bemühungen dass die alten Steine
so sie sich erhalten haben
analysiert registriert nummeriert
und auch wieder eingesetzt wurden
an die entsprechenden Stellen
Jeder Stein wurde von Rom Gaastra selbst gebaut
In diesem Falle sind es fast eintausend Steine
die durch seine Hand
konstruiert gemalt nummeriert und gesetzt wurden
im Zeitraum von fast fünfzehn Jahren
und die heute alle zur gleichen Zeit
zu sehen sind in einem Raum
so oder so ähnlich könnte ich darüber sprechen
Der sich drehende Blick
in die Baumkronen
in dem Film Wenn die Kraniche ziehen
oder anders ausgedrückt
die Kreise
der Göttlichen Komödie von Dante

13. 11. 2005 MW

Fotos: Nikolaus Koliusis