7000 Jahre

30.03.2006 – 13.05.2006


Zierliche Steinzeitkunst

Parallel zur verlängerten Douglas-Allsop-Ausstellung (bis zum 29. April), zu der jetzt auch der grandiose, in England gefertigte Künstler-Katalog wieder aufliegt, zeigt die Stiftung für konkrete Kunst im Dachgeschoss die Ausstellung 7 000 Jahre (bis 13. Mai). Diese vereinigt Objekte antiker Kulturen mit Bernard Aubertins jüngster Serie Carré, Or, aus der übrigens demnächst auch Teile in der Galerie Jean Brolly in Paris gezeigt werden.
Der Kontrast ist wahrhaft epochal, die Wirkung aber keineswegs widerstreitend. Denn eine gemeinsame geistige Dimension ist zu spüren: Das Nachdenken über die menschliche Existenz. Bernard Aubertin, der in Reutlingen lebende Franzose, an dessen künstlerischen Anfängen Feuer und Ruß standen, reflektiert in seinen mit der Gold-Farbe »Or Klassik« bis zu zwölfschichtig gespachtelten Gemälden Zeit und Arbeit. Von ihnen geht etwas Meditatives aus, das dem kultischen Charakter der kleinen Figürchen entspricht, deren älteste von Steinzeitmenschen geschaffen wurden.
Die 17 präsentierten antiken Stücke stammen aus der Privatsammlung von Dr. Gabriele Kübler, Geschäftsführerin der Stiftung. Es sei nichts als Liebhaberei, erklärt sie, dass sie angefangen habe, diese antiken Stücke zu kaufen. »Alles legal«, betont sie. Und es habe sie überrascht, dass man derlei Kunstschätze überhaupt erwerben könne und nicht mal Unsummen dafür ausgeben müsse. Auch bezüglich des prähistorischen Fachwissens bezeichnet sich die Expertin für zeitgenössische Kunst als Amateurin und hofft, dass vielleicht Besucher kommen, die mehr wissen.
Die Idole und Objekte, oft Fruchtbarkeitssymbole oder religiöse Kleinskulpturen, stammen aus Syrien, Mesopotamien, Anatolien, Afrika, Peru und nur ein Stück aus Europa, ein Bronze-Idol von der Iberischen Halbinsel. Die älteste Plastik, ein Fruchtbarkeits-Idol aus Tell Halaf im nordöstlichen Syrien, stammt aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. und ist aus bemaltem Ton.

Monique Cantré
Reutlinger General-Anzeiger 21. April 2006


Bernard Aubertin
Carré, Or (Or Klassik), 2004–2006
Carré, Or Suite et Fin, 2006
Acryl auf Leinwand, 38 Werke, je 100 x 100 cm






1.
Violinen-Idol (Variante des Kusura-Typus), Anatolien, 2700-2100 v.Chr., Marmor, Höhe 7,7 cm

2. Neolithisches Idol, Anatolien, 4.Jtsd.v.Chr., Rotbrauner Ton, Höhe 10,1 cm

3. Terracotta-Figur, Nigeria, Terracotta, Höhe 15,5 cm

4. Terracotta-Figur, Nigeria, Terracotta, Höhe 14 cm

5. Sumerischer Gründungskegel mit 11-zeiliger Inschrift des Königs Gudea von Lagash, Lagash. Südliches Mesopotamien, um 2100 v.Chr., Gebrannter Ton, Höhe 11,5 cm

6. Tumi (Ritualaxt), Vicus, Peru, 3.Jh.v.Chr.-3.Jh.n.Chr., Kupfer, Höhe 5,5 cm

7. Tell Halaf Idol, Nördliches Syrien, 5.Jtsd.v.Chr., Rotbrauner Ton und dunkelbraune Farbe, Höhe 7,2 cm

8. Tonfigur, Nigeria, Ton, Höhe 15 cm

9. Kusura-Idol, Anatolien, 2.Hälfte des 3.Jtsd.v.Chr., Grob kristalliner Marmor. Bräunliche Sinterschicht, Höhe 11,8 cm

10. Iberisches Bronze-Idol, Iberische Halbinsel, 5.-4.Jh.v.Chr., Bronzeguß mit Kaltarbeiten. Grüne Patina, Höhe 5,1 cm

11. Vin_a-Idol, Balkan, 4.Jtsd.v.Chr., Bräunlicher Ton mit Sinterresten, Höhe 7,2 cm

12. Mwana hiti. (Aus Holz gemachtes Kind) Figur der Zaramo, Südöstliches Tanzania, Holz, Höhe 14 cm

13. Weibliches Idol der Sesklo-Kultur, Fragment, Makedonien, 7.-6.Jtsd.v.Chr., Gebrannter, dunkelbrauner, glimmerhaltiger Ton, Höhe 10,6 cm

14. Gefäß der Attye (Akan), Elfenbeinküste, Terracotta, Höhe 9 cm

15. Schamanen-Amulett der Dogon, Mali, Holz, Höhe 8 cm

16. Statuette eines eurasischen Adoranten, Westasien - Steppenvölker, 8.-6.Jh.v.Chr. Bronze gegossen, Höhe 6,6 cm

17. Altsyrisches Bronze-Idol, Syrien, Anfang 2.Jtsd.v.Chr., Bronze-Vollguß. Oberfläche stark korrodiert. Grüne Patina, Höhe 9,9 cm


Fotos: Nikolaus Koliusis